Hintergrundinformationen anlässlich der Klimakonferenz der Sächsischen Schüler*innen 29.02.2020
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Bei der diesjährigen Klimakonferenz der sächsischen Schüler*innen Fokus liegt nach Informationen der Veranstalter in erster Linie auf der Vermittlung methodischer Kompetenzen entsprechend des Konferenzmottos: „Vom Reden zum Handeln“. Viele Mitglieder diverser „for Future“ Bewegungen hielten es dennoch für gut auch fachliche Informationen zur Klimakrise bereitzustellen, deshalb haben wir diese Informationen gesammelt mit dem Ziel sie auf der Webseite „klimakonferenz.org“ bereitzustellen.
1) Klimawandel/Klimakrise in Sachsen
Auch in Sachsen ist der menschlich verursachte Klimawandel deutlich zu spüren. Dies geht aus einem Bericht des Landesamtes für Umwelt Landwirtschaft und Geologie (LFULG) hervor. (https://www.klima.sachsen.de/jahresruckblicke-wetter-trifft-klima-12409.html)
Insbesondere zwei Phänomene werden beobachtet: steigende Temperaturen und weniger Niederschlag. Für die Vergangenheit kann man die gemessenen Daten auswerten. Um eine Vorhersage für die Zukunft zu erstellen, muss man Modelle, die die Vergangenheit gut beschreiben, fortschreiben und dabei bestimmte Annahmen machen. Diese Annahmen betreffen Einflussfaktoren z.B. über Entwicklung von Treibhausgasemissionen und deren zu erwartende Entwicklungen. Dann berechnen Simulationsprogramme die Auswirkungen unter unterschiedlichen Szenarien, um die Unsicherheit in den Annahmen zu berücksichtigen. Die folgenden Abbildungen enthalten Vorhersagen der Lufttemperatur und Niederschlag in Sachsen.
Beispielsweise sagen nur 10 % der Szenarien im Jahr 2100 eine Temperaturerhöhung von weniger als 1,4° vorher, nur 25% weniger als 1,7°, 25% der Szenarien prognostizieren sogar mehr als 4,3°, 10% mehr als 5°. Die Randbedingungen dieser Szenarien haben einen sehr großen Umfang und reichen von “weiter so mit fossilen Energieträgern” bis “radikaler weltweiter Klimaschutz”. Mit den derzeit beschlossenen Maßnahmen ist es wahrscheinlich, dass die zukünftige Entwicklung in der Mitte der Kurven verläuft. Also wird die mittlere Lufttemperatur bis 2100 um ca. 3°C steigen, und die Niederschläge um ca 15% abnehmen. Das Pariser Klimaziel wird nicht erreicht.
2) Klimaziele
Viele sprechen von Klimazielen und der Notwendigkeit ihrer Einhaltung. Aber was für Ziele genau sind gemeint? Es gibt zum einen die Ziele der Pariser Klimakonferenz 2015, dazu nationale Selbstverpflichtungen, Sektorziele, europäische Klimaziele, außerdem noch kommunale Ziele. Hier möchten wir erklären, was sich jeweils dahinter verbirgt, und wie die Ziele zusammenhängen.
Zunächst gibt es die internationale Vereinbarung der Pariser Klimakonferenz von 2015. Dort wurde völkerrechtlich verbindlich beschlossen, die „Temperaturerhöhung weltweit auf 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, die Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen“. Um das zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten Selbstverpflichtungen einreichen, was Deutschland getan hat.
Ebenso hat die EU Klimaziele, und auch da fließen die deutschen Klimaziele ein. Deutschland will die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40% gegenüber 1990 verringern, 2030: 55% / 2040: 70% / 2050: 95%. (Die EU-Ziele beziehen sich auf eine Reduktion gegenüber 2005.) Diese Ziele sind aufgeteilt in Ziele einzelner Sektoren: Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.
Nun ist es leider so, dass Deutschland mit den bisher beschlossenen Maßnahmen seine Ziele nicht erreichen wird. Das deutsche Klimaziel für 2020 z.B. wird mit den bisherigen Maßnahmen erst voraussichtlich 2025 erreicht. (https://www.diw.de/de/diw_01.c.694705.de/publikationen/politikberatung_kompakt/2019_0143%20wann_deutschland_sein_klimaziel_fuer_2020_tatsaechlich_erreicht_forschungsprojekt_im_auftrag_von_greenpeace_e.v..html)
Selbst die Summe der Selbstverpflichtungen im Pariser Abkommen, würde, falls umgesetzt, nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, und das eigentliche Ziel sind ja 1,5 Grad. Es muss also nachgebessert werden.
Das Schwierige daran ist: Bei den Treibhausgasemissionen ist es nicht entscheidend, in einem bestimmten Jahr eine bestimmte Reduktion
zu erreichen, ausschlaggebend sind die gesamten bisherigen Emissionen. Was wir also jetzt über die Zielvorgaben hinaus emittieren, müssen wir später aufholen, und das wird immer schwieriger.
Da die bisher eingereichten Selbstverpflichtungen nicht reichen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die Länder nachbessern. Dafür gab es als Vorlauf für die Klimakonferenz die Ende 2020 in Glasgow stattfinden wird eine Frist bis 9.2.2020. Nur Marshallinseln, Surinam und Norwegen haben innerhalb dieser Frist Nachbesserungen eingereicht. (https://www.klimareporter.de/international/paris-abkommen-die-laender-liefern-nicht)
2.1) 1,5 oder 2 Grad: Ist der Unterschied wesentlich und warum diese Zahlen?
Ein 2-Grad-Ziel ist schon seit den 1970er-Jahren im Gespräch. Dieser Wert ergibt sich aus den natürlichen Temperaturschwankungen auf der Erde. Während wir Menschen (Homo Sapiens) auf der Erde leben (seit ca. 300 000 Jahren) gab es Eiszeiten und Warmzeiten. Allerdings begann vor ca. 11 000 Jahren eine Zeit, in der die Temperatur besonders stabil war. In dieser Zeit entwickelten wir Menschen unsere heutige Kultur, basierend auf Ackerbau und Viehzucht. Diese Zeit ist das Holozän. Während des gesamten Holozäns schwankte die mittlere weltweite Temperatur um weniger als +/- 0,4°C. Durch die Klimaerwärmung sind heute die Temperaturen bereits am oberen Ende des Bereichs, der im Holozän abgedeckt wurde (https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/palaeoklima-das-ganze-holozaen/). Seit es Menschen gibt, war es auf der Erde im Mittel nie wäre als ca. 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.
In den 1980er-Jahren benannte man fünf „Gründe der Sorge“, für die jeweils in den Berichten des Weltklimarates IPCC die Risiken abgeschätzt wurden, wie z.B. den Verlust einzigartiger bedrohter Systeme oder das Eintreten extremer Wetterereignisse. Später und mit besserer Kenntnis der Klimasysteme schätzte man die Eintrittswahrscheinlichkeiten verschiedener Risiken dann so ein, dass im Pariser Klimaziel gefordert wurde, die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, aber Anstrengungen zu unternehmen, 1,5 Grad nicht zu überschreiten.
1,5 oder 2 Grad, dies macht einen bedeutsamen Unterschied und dies wurde in einem speziellen Report des IPCC 2018 weiter ausgeführt (siehe https://www.klimafakten.de/meldung/neue-infografik-macht-ein-halbes-grad-weniger-erderwaermung-einen-unterschied)
In den letzten Jahren fanden die sog. “Kipp-Punkte” im Klimasystem immer mehr Beachtung. Dies sind Veränderungen auf der Erde, die, falls sie eintreten, unumkehrbar wären und wahrscheinlich das Kippen aller anderen Punkte zur Folge hätten.
Insbesondere wegen der drohenden Erreichung dieser Kippunkte ist es wichtig , die Bemühungen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels sehr ernst zu nehmen, denn über 1,5 Grad wird es wahrscheinlich, dass sie ausgelöst werden. Damit würden irreversibel Kaskaden in Gang gesetzt. Wie in der Graphik beispielsweise zu sehen ist, geht man davon aus, dass bei 1,5 Grad Erwärmung die Korallenriffe stark beschädigt werden und bei 2 Grad kaum mehr zu retten sind. Auch der Zustand der Gletscher und polaren Eiskappen sowie das Grönlandeis werden im Bereich 1,5-2 Grad als kritisch bewertet. (Siehe auch https://www.nature.com/articles/d41586-019-03595-0)
2.2) Europäische Ziele
In der EU werden Emissionen in zwei Systemen erfasst: (Siehe auch Abb.3)
2.2.1.) Energiewirtschaft und energieintensive Industrien
Dafür gibt es das European trading system (ETS), in dem handelbare Zertifikate ausgegeben werden können. Wenn z.B. ein Unternehmen CO2 produziert, so musste es sich dafür Zertifikate kaufen, die das erlaubten. (http://multimedia.gsb.bund.de/DEHSt/Video/Erklaerfilm_Emissionshandel.mp4)
Das Problem war, dass bis 2018 zu viele Zertifikate auf dem Markt waren, und deshalb der Preis für 1t CO2 bei unter 10€ lag. Dadurch wurde keine Lenkungswirkung erreicht. Erst durch eine Verknappung der Zertifikate stieg der Preis 2019 auf ca 25/t CO2, und die Wirkung wurde sofort sichtbar. (Siehe auch https://www.finanzen.net/rohstoffe/co2-emissionsrechte/chart) In Deutschland z.B. sank nach dem Preisanstieg für CO2 Zertifikate
die Stromerzeugung in CO2-intensiven Kohlekraftwerken von 2018 auf 2019 um 25%. (https://www.energy-charts.de/energy_de.htm?source=all-sources&period=annual&year=all)
2.2.2.) Andere Sektoren
Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft, Abfall, Gewerbe (nicht energieintensive Industrie) fallen unter die sogenannte Effort Sharing Regulation. Dadurch sollen die europäischen Emissionen bis 2030 um 43 % gegenüber 2005 sinken. Außerdem kann jeder Mitgliedstaat ab 2021 bei einer Reduktion fossiler Stromerzeugung die freiwerdenden CO2-Zertifikate löschen, um zu verhindern, dass eine solche Reduktion wirkungslos ist.
2.3) Ziele für Deutschland
Die nächste Graphik stellt die Deutschen Klimaziele und die Aufteilung der Sektoren dar. Man sieht insbesondere, dass es im Verkehrssektor kaum eine Reduktion gab.
Werden Ziele nicht erreicht, hat das zur Folge, dass Deutschland im Rahmen der Europäischen Vereinbarungen zusätzliche „Verschmutzungsrechte“ kaufen muss. Und das muss es nicht erst 2030, sondern schon ab 2021! Aus den realen Emissionen der Jahre 2016 – 18 und dem Zielwert für 2030 werden Ziele für 2021-29 festgelegt. Wenn diese Ziele in dem jeweiligen Jahr nicht erreicht werden, müssen sie entweder durch eine Übererfüllung in anderen Bereichen ausgeglichen werden, oder es müssen jedes Jahr Verschmutzungsrechte dazugekauft werden. Die Kosten dafür betragen für die Jahre bis 2030 voraussichtlich 30-60 Mrd Euro pro Jahr. Das ist Geld, das man stattdessen in den Klimaschutz investieren könnte. Details dazu finden sich in einer Studie der AGORA: Die Kosten von unterlassenem Klimaschutz (https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/die-kosten-von-unterlassenem-klimaschutz-fuer-den-bundeshaushalt/).
Unter der Regierung von Helmut Kohl (CDU) wurde im Jahr 1990 erstmals beschlossen und 1995 bekräftigt die CO2 Emissionen bis 2005 um 25 im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Die Rot-Grüne berief sich 2003 auf das schwächere, mit dem Kyoto-Protokoll festgelegte Ziel, 2005 nur 21% Reduktion zu erreichen. Das 2020 Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht. Abbildung 8 zeigt, dass die deutschen Ziele zum einen unzureichend sind, um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen und zum anderen basierend auf den beschlossenen Massnahmen nicht erreicht werden.
3) Kohlekompromiss und Koalitionsvertrag als Grundlagen für Politik in Sachsen
3.1) Der Kohlekompromiss und die Folgen
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfahl 2017 der Bundesregierung einen zügigen Kohleausstieg. (https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2017_10_Stellungnahme_Kohleausstieg.pdf?__blob=publicationFile&v=30)
Ein wesentliches Argument ist der sogenannte Emissionsbudget-Ansatz: Wir haben nur eine begrenzte Menge an Treibhausgasen, die wir ausstoßen dürfen, um die Klimaziele zu erreichen. Diese Menge heißt Emmissionsbudget (analog zu einem Finanzbudget). Je mehr wir jetzt ausstoßen, desto schneller müssen wir später die Emissionen reduzieren. (Verweis auf Kapitel Klimaziele)
Um für den Kohleausstieg einen möglichst breiten Konsens zu erreichen, hat die Bundesregierung 2018 die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) eingesetzt. Diese setzte sich aus unterschiedlichen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften und betroffenen Ländern und Regionen zusammen. Ihr Ziel war es, die unterschiedlichen Interessen bei der Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Kohleausstiegs und des damit verbundenen Strukturwandels in Deutschland auszugleichen. Im Januar 2019 beendete die Kommission ihre Arbeit; und die Bundesregierug sagte zu, die Empfehlungen der Kommission 1:1 in ein Gesetz umzusetzen.
Die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sind jedoch nicht geeignet um die Internationalen Klimaziele zu erreichen. Selbst für ein 2 Grad Ziel müsste der der Kohleausstieg bis 2030 erfolgen und der Anteil erneuerbarer Energiequellen 2030 mind 75 % betragen wie aus aus einer Studie des DIW für den BUND hervorgeht (https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/klimaschutz-statt-kohleschmutz)
In einer Stellungnahme zum Entwurf des Kohleausstiegsgesetz sehen ehemalige Mitglieder der Kommission diese Zusage der 1:1 Umsetzung als nicht eingehalten an. Es werden insbesondere folgende Punkte kritisiert.
- Kohleausstiegspfad klimapolitisch unzureichend (nicht stetig) und EU-Emissionshandel geschwächt
- Inbetriebnahme von Datteln 4 trotz anderslautender Empfehlung
- unnötige und unwiederbringliche Zerstörung von Dörfern
- „Insellösung“ für den Hambacher Wald nicht nachvollziehbar
- Der Ausbau der Erneuerbaren Energien fehlt ganz
Details siehe https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/kohle/kohle_kommission_stellungnahme_ehemalige.pdf
Zusätzlich gibt es eine Diskussion über die Höhe der vereinbarten Entschädigungszahlungen. Diese sollten sich laut Kommissions-Empfehlung an den sog. “Regelungen zur Sicherheitsbereitschaft” orientieren, bei denen zwei Komponenten betrachtet werden: Die entgangenen Einnahmen von Deckungsbeiträgen durch den Stromverkauf und die Kosten der sog. Reservevorhaltung. In einer Stellungnahme von Dr. Felix Chr. Matthes, Oeko Insitut (https://www.oeko.de/publikationen/p-details/analyse-von-kraftwerks-stilllegungspfaden-fuer-das-lausitzer-revier) wird deutlich, dass z.B. die Summe der Entschädigungszahlung von 1,75 Mrd € für die Leag zu hoch ist. Im Businessplan 2017 – 2027 (Sz1A) war 867 Mio t Braunkohlenutzung vorgesehen. In der Bund-Länder Einigung 15.01.2020 sind es 854 Mio t Braunkohlenutzung also nur 1,5% Reduktion.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in seiner Ausarbeitung zur Stilllegung von Kohlekraftwerken (WD 3-3000 -360/18, https://www.bundestag.de/resource/blob/579426/79b26fd54662407f696a224c9aa1955a/WD-3-360-18-pdf-data.pdf) zum Ergebnis das “eine gesetzliche Regelung mit dem Ziel einer Stilllegung von Kohlekraftwerken generell mit den Grundrechten der Anlagenbetreibervereinbar sein könnte”.
Im Einzelfall kann hierfür das Vorsehen von Übergangsfristen oder weiteren Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sein. Auch vor diesem Hintergrund ist die Entschädigung in Höhe von insgesamt 4,35 Mrd. € zu Hoch. Weiterhin ist noch nicht mal vereinbart, dass diese Zahlung für die Renaturierung der Bergbaufolgeschäden / Renaturierung von Braunkohletagebauen gesichert werden.
Geplante hohe Entschädigungen wirken zudem als Fehlanreiz: Der Braunkohleabbau wird weiter betrieben, obwohl er eigentlich unwirtschaftlich ist, solange das Defizit kleiner bleibt als die Entschädigung. Dadurch wird der EU-Emissionshandel in seiner Wirkung geschwächt.
3.1.1) Wie werden die Kohlekraftwerke abgeschaltet?
Das Ende der Kohleverstromung ist laut Kommissions-Empfehlung nicht das Datum, bis zu dem die Kohlekraftwerke auf jeden Fall laufen dürfen, sondern der Zeitpunkt, bis zu dem sie spätestens stillgelegt werden sollen. Weiterhin soll in den Jahren 2026 und 2029 eine umfassende Überprüfung durch ein unabhängiges Expertengremium erfolgen und das Abschaltdatum gegebenenfalls angepasst werden. Dabei sind Auswirkungen auf folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Erreichung der Klimaziele,
- Entwicklung der Strompreise und der Versorgungssicherheit,
- Beschäftigung, strukturpolitische Ziele, realisierte strukturpolitische Maßnahmen und
- regionale Wertschöpfung.
Bevor ein Kraftwerk in Deutschland stillgelegt werden darf, muss die Bundesnetzagentur prüfen, ob das Kraftwerk „systemrelevant“ ist, d.h. ob durch eine Stilllegung eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems erwartet wird, und dies nicht durch andere angemessene Maßnahmen kompensiert werden kann (§ 13b EnWG).
So wurde z.B. die Abschaltung von Block 2 des Heizkraftwerks München-Nord untersagt. Damit ein Kraftwerk stillgelegt werden kann, muss demnach die Energieversorgung sichergestellt sein. Das deutsche Stromnetz ist in den europäischen Verbund integriert, wodurch es immer einen Austausch mit den Nachbarländern gibt. In den letzten Jahren hat Deutschland insgesamt deutlich mehr Strom exportiert als importiert. Dieser Nettoexport könnte zunächst abgebaut werden. Damit weitere Kraftwerke stillgelegt werden können, müssten dann entsprechende Kapazitäten von erneuerbaren Energien (Wind und Photovoltaik (PV)) aufgebaut werden. Weiterhin sind (insbesondere ab einem Anteil von ca. 65% erneuerbaren Energien) Speichermöglichkeiten oder schnell regelbare (Gas-)Kraftwerke zu schaffen, um die Versorgung bei wenig PV, wenig Windertrag und v.a. bei einer „Dunkelflaute“ sicherzustellen. Ohne den massiven Ausbau von PV, Wind und Speichern wird also ein Ausstieg aus den fossilen Energien nicht gelingen.
Kompliziert wird es, wenn man den Wärmebereich mit hinzunimmt. Zunächst einmal hat Ein Kraftwerk, was außer Strom auch Wärme liefert den gleichen Einspeisevorrang, wie Anlagen aus erneuerbarer Energie. Das Bedeutet: Wenn ein Windrad läuft und ein Kohlekraftwerk Strom produziert und mehr Strom Produziert wird, als Nachfrage da ist, muss das Kohlekraftwerk seine Leistung herunterfahren und evtl. abschalten. Liefert das Kohlekraftwerk aber auch Wärme z.B. als Fernwärme dann darf es am Netz bleiben und das Windrad wird evtl. abgeschaltet.
3.1.2) Die Bedeutung des Ausbaus der erneuerbaren Energien
Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien (insbesondere Wind und PV) zu langsam, bleiben die Kohlekraftwerke „systemrelevant“ und können nicht stillgelegt werden. Wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien aber vorangetrieben wird und Kohlekraftwerke nicht mehr systemrelevant sind, ist eine Abschaltung sogar deutlich vor dem in der „Kohlekommission“ vereinbarten Termin möglich. Denn die Kosten für die Verstromung fossiler Brennstoffe steigen mit den wachsenden CO2-Emissionskosten.
Außerdem müssen für den Betrieb von großen Kraftwerken im „EU emissions trading system (ETS, Link nach oben)“ Emissionszertifikate erworben werden. Die Kosten betrugen, wie oben erwähnt, vor 2018 unter 10 € und stiegen erst 2018-19 auf ca 25 €/ t CO2. In den nächsten Jahren wird eine deutliche Verteuerung erwartet, der Preis könnte auf über 100 €/t CO2 steigen, was für Braunkohlekraftwerke ungefähr 10 ct/kWh ausmachen würde. Damit wären die Kosten der Erzeugung von Kohlestrom sehr viel höher als für PV und Wind (je nach Standort ab 4 ct/kWh).
Somit kommt dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energiespeicherung eine äußerst wichtige Rolle zu. Mit der derzeitigen Politik ist selbst die Erreichung des Ziel 65% Anteil erneuerbarer Energie an der Stromversorgung akut gefährdet. Dafür müsste mindestens 8 GW PV und 4 GW Wind dazugebaut werden, wie eine einfachen Überschlagsrechnung von Bruno Burger (Fraunhofer ISE) zeigt. (https://www.pv-magazine.de/2018/11/16/bierdeckel-rechnung-so-einfach-sind-65-prozent-erneuerbare-bis-2030-erreichbar/) Wie oben erläutern werden ohne massiven Ausbau von Wind und PV selbst die jetzigen Pläne zum Kohleausstieg verzögert. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen brauchen wir nach einer Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für den BUND (https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/klimaschutz-statt-kohleschmutz/) einen Kohleausstieg bis 2030 und der ist nur möglich mit einem massiven Ausbau von Wind und PV.
3.1.2.1) Windenergie
Doch der Ausbau der Windenergie ist 2019 völlig zusammengebrochen. Durch die im aktuellen Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vorgesehenen neue Abstandsregelung von 1000m wird er zusätzlich behindert.(https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Klimaschutz/2019-09-20-Eckpunkte-Klimaschutz-Download.pdf;jsessionid=65371104F836E7D09AB7597D3CC89AEB.delivery2-replication?__blob=publicationFile&v=3)
Das Argument für die Einführung der Abstandsregelung ist die Förderung der Akzeptanz der Windenergie. Dabei schafft ein geringere Abstand gar nicht mehr Aktzeptanz, sondern die Beteiligung Planungsprozess und an den finanzielle Erträgen durch den Betreib eines Windrades. (https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2020/IW-Kurzbericht_2020_Akzeptanz_Windkraft.pdf)
Windenergie wird in Zukunft eine der wichtigsten Quellen für Energie in Deutschland sein. Das Argument, dass Vögel durch Windräder erschlagen werden, ist zwar richtig. Allerdings werden jedes Jahr ein vielfaches an Vögeln durch Stromleitungen, fahrende Autos und Züge, Fensterscheiben und Hauskatzen getötet. (evt. Graphik einfügen). Weiterhin gibt es moderne Systeme, die die Kollision mit Vögeln und Fledermäusen reduzieren.
3.1.2.2) Solarenergie
Im noch gültigen EEG ist verankert, dass die Vergütung für Solarstrom nur bis zu einer Gesamtleistung von 52 GWp garantiert wird. Diese Leistung wird evt. bis Mitte 2020 erreicht. Der Ausbau der PV wird deshalb zur Zeit durch den “52-GW- Deckel” akut bedroht, einige Banken haben schon Finanzierung von neuen Projekten abgelehnt. Die CDU knüpft die Abschaffung des 52 GW Deckels an Festlegung der 1000m Abstandsregelung in einem Gesetz. Aktuell bedeutet dies konkret: Gibt es keine Entscheidung wird nach dem Einbruch bei der Windenergie auch der Ausbau der PV einbrechen.
Meist steht die Erzeugung von Solarstrom (PV. Photolvoltaik) im Mittelpunkt der Diskussion. Für die Bereitstellung von Wärme kann Solarenergie als Solarthermie aber auch dezentral am Haus oder zentral in Fern- oder Nahwärmenetzen genutzt werden und so einen wichtigen Beitrag zur erneuerbaren Energieversorgung leisten. Solarthermie ist somit eine Ergänzung zur Wärmeversorgung über Wärmepumpen in Kombination mit erneuerbarem Strom.
3.2) Koalitionsvertrag Sachsen 2019
Schon in der Präambel steht „Wir gestalten eine innovative und nachhaltige Politik für eine leistungsfähige, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung“. Damit würde, verglichen mit der Vorgängerregierung, ein großer Schritt getan. Dennoch findet sich viel zu wenig Konkretes im Koalitionsvertrag, um das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Hier einige Details. (Auszüge sind dem Koalitionsvertrag entnommen)
3.2.1) Kohleausstieg
Hier wird im Wesentlichen auf die Bundespolitik und ihre Zusage „der Kohlekompromiss gilt“ verwiesen. Ein Bezug zu Sachsen wird in den Ausführungen zu Strukturwandel und Inanspruchnahme von Flächen deutlich:
Die Koalitionsparteien möchten den Ort Pödelwitz erhalten. […] Für die Tagebaue in der Lausitz sind sich die Koalitionsparteien einig, dass keine Flächen in Anspruch genommen werden oder abgesiedelt werden, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden.
Auszüge aus dem Koalitionsvertrag
Die derzeit im Bund diskutierten maximalen Laufzeiten (Boxberg N,P bis 2029, Lippendorf bis 2035 und Boxberg R,Q bis 2038) stehen jedoch nicht in Einklang mit dem Kohlekompromiss.
3.2.2) Wärmewende
Hier sollen insbesondere die Kommunen unterstützt werden, z.B. durch die Aufstellung von Wärmeplänen (siehe https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/hintergrundpapiere/der-kommunale-waermeplan). Bei einem Wärmeplan wird zunächst der genaue Wärmebedarf und die derzeitige Technologie in den Gebäuden erfasst und dann ein Plan erstellt, wo am besten Wärme eingespart werden kann und wie die nötige Wärme am besten bereitgestellt werden kann. Daneben sollen die Unterstützung von konkreten Projekten, aber auch die emissionsarme und effiziente Energieversorgung der öffentlichen Gebäude z.B. durch Contracting vorangetrieben werden.
Beim Contracting betreibt z.B. ein Unternehmen in einem großen Gebäude die Heizungsanlage und bezahlt eine Dämmung des Gebäudes. Die Bewohner zahlen nur für “einen warmen Raum”, müssen also das Geld für die Investition nicht aufbringen. Diese Maßnahmen sind begrüßenswert, aber ebenfalls nicht ausreichend, um die energetische Sanierung auf das Niveau zu heben, welches zur Erreichung des Pariser 1,5-Grad-Ziels notwendig ist.
3.2.3) Erneuerbare Energie
Hier wird ein vergleichsweiser großer und wichtiger Schritt gemacht.
Wir schreiben das EKP [Energie-und Klimaprogramm bis zum Sommer 2020 fort, setzen es im gleichen Jahr in Kraft. Zu dessen Kernpunkten gehören ein Ausbauziel für erneuerbare Energien, ein Beteiligungs- und Akzeptanzmanagement für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen und eine Wasserstoffstrategie.
Wir schreiben das EKP [Energie-und Klimaprogramm bis zum Sommer 2020 fort, setzen es im gleichen Jahr in Kraft. Zu dessen Kernpunkten gehören ein Ausbauziel für erneuerbare Energien, ein Beteiligungs- und Akzeptanzmanagement für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen und eine Wasserstoffstrategie.
Wir schreiben das EKP [Energie-und Klimaprogramm bis zum Sommer 2020 fort, setzen es im gleichen Jahr in Kraft. Zu dessen Kernpunkten gehören ein Ausbauziel für erneuerbare Energien, ein Beteiligungs- und Akzeptanzmanagement für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen und eine Wasserstoffstrategie.
Auszüge aus dem Koalitionsvertrag
Die genannten 4 TWh sind eine Verdopplung der bisherigen Erzeugungskapazität von Wind und Solar und vor dem Hintergrund der langen Planungszeit für Windenergieprojekte durchaus anerkennenswert. Die 4 TWh könne auch mit der Umstrittenen 1000m Abstandsregel von Windkraftanlagen erreicht werden. Die 10 TWh bis 2030 orientieren sich an dem Ziel der Bundesregierung, bis 2030 65% erneuerbare Energie im Stromsektor zu erreichen. Dabei wird jedoch die erhebliche Steigerung des Strombedarfs aufgrund der Sektorkopplung Strom-Wärme-Mobilität nicht berücksichtigt. (Dabei versteht man unter Sektorkopplung, dass Strom in Zukunft auch z.B. für Verkehr und Heizen gebraucht wird, und dass man alle Sektoren gemeinsam mit Energiespeichern zusammenfassen werden muss.) Um das Pariser Klimaziel selbst für 2 Grad zu erreichen, muss Strom 2030 nahezu vollständig emissionsfrei erzeugt werden. Die Maßnahmen reichen dafür bei weitem nicht aus.
3.2.4) Verkehr
Die Klimaziele sollten selbstverständlich auch Grundlage für die Verkehrsplanung sein:
Ziel unserer Politik ist eine Mobilität für alle Menschen in der Stadt und auf dem Land, die sicher, sozial, bezahlbar und an den Klimazielen ausgerichtet ist.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Hier stellt sich die Frage, wie konkret Ziele benannt werden, denn es heißt auch:
Wir wollen den bedarfsgerechten Ausbau von Schienen, Straßen und Wasserwegen, von Energie- und IT-Infrastruktur sowie von Flughäfen vorantreiben.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Für Sachsen ist es ein Fortschritt, wenn immerhin ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsmittel vereinbart wird, denn dafür muss tatsächlich der Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehr gestärkt werden. Bei der Vereinbarung, „den Anteil des ÖPNV an den zurückgelegten Wegen bis 2030 zu verdoppeln“, sind die Details zur absoluten Messung dieses Ziel -wie in solchen Vereinbarungen üblich- nicht klar. Bei kleineren und mittelgroßen Städten wie Risa, Pirna, Dippoldiswalde oder Radeberg liegt der ÖPNV Anteil gemäß einer Studie der TU Dresden von 2013/16 (https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/srv/ressourcen/dateien/2013/uebersichtsseite/SrV2013_Staedtevergleich.pdf?lang=de) zwischen 10-15%, in Leipzig bei ca 22% und auf dem Land sicherlich deutlich darunter. Zusätzlich sollte die Kennzahl des motorisierten Individualverkehrs (MIV) betrachtet werden, denn wichtig ist ja für Menschen einen Anreiz zu schaffen, vom Auto auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen und nicht z.B. vom Fahrrad zum ÖPNV.
3.2.5) Landwirtschaft / Biodiversität
Ähnlich wie sonst wird auch hier die richtige Richtung eingeschlagen, aber nur in verhältnismäßig kleinen Schritten:
Konventionelle und ökologische Landwirtschaft sind in Sachsen gleichberechtigt. Die Koalitionsparteien streben eine leistungs- und wettbewerbsfähige Landwirtschaft an.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Dies bedeutet eine deutliche Förderung der ökologischen Landwirtschaft, was auch im weiteren Punkten deutlich wird:
Der Anteil ökologisch produzierender Betriebe soll weiter erhöht werden. Mit einer verlässlichen Förderung unterstützen wir ein ausgewogenes, marktgerechtes Wachstum des Sektors sowie die Entwicklung und Stärkung von Wertschöpfungsketten und Absatzmöglichkeiten.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Biodiversität findet sich in kleinen Punkten des Koalitionsvertrages, z.B. bei dem Ziel, gemäß der Nationalen Biodiversitätsstrategie den Anteil ungenutzter Wälder an der gesamten Waldfläche langfristig auf fünf Prozent zu steigern.
3.2.6) Bildung
Hier ist ein klares Bekenntnis zu Bildung im Klimabereich ersichtlich:
Klimaschutz, Klimawandel und Klimaanpassung gehören für uns zum Lehrplan und in die Schulen. Wir werden Schulen in ihrem klimapolitischen Engagement stärken und die Anzahl der Klimaschulen erheblich erweitern. Umweltbildung muss weiter gestärkt und die Natur in der Schule stärker erfahrbar werden. Die Initiative Bildung für Nachhaltige Entwicklung schreiben wir fort.
3.2.7) Jugendbeteiligung
Dazu heißt es im Koalitionsvertrag:
Wir wollen, dass Jugendliche stärker in Entscheidungen eingebunden werden und sich aktiv beteiligen können. Wir entwickeln die eigenständige Jugendpolitik in Sachsen weiter. Wir führen die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung und das flexible Jugendmanagement fort und unterstützen weiterhin die Sächsische Jugendstiftung. Wir etablieren eine Zukunftswerkstatt Jugend.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Inwieweit die verabredeten Maßnahmen tatsächlich dazu führen, dass die Bedürfnisse der Jugend stärker berücksichtigt werden, ist fraglich. Große Schritte wie eine Senkung des Wahlalters oder ein Jugendparlament mit Initiativrecht fehlen.
4) Klimagerechtigkeit
„What do we want? – climate justice!“ So heißt ein auf Demos oft gehörter Spruch, aber was ist eigentlich „climate justice”, Klimagerechtigkeit?
Da der Begriff Klimagerechtigkeit mehrere Gerechtigkeitsaspekte zusammenfasst, wollen wir uns zunächst mit der Frage der Gerechtigkeit beschäftigen:
4.1) Was ist Gerechtigkeit
Natürlich gibt es darauf keine einfache Antwort, aber das Problem lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen.
Die Geschwister Mi, Ma und Mo kommen zum Abendessen zusammen, es soll Pizza geben. Aufgrund eines technischen Defektes am Ofen ist jedoch eines von zwei Blechen Pizza verbrannt und ungenießbar. Es wird also nicht reichen, dass alle so viel abbekommen, wie sie wollen. Mi meint, jeder solle ein gleich großes Stück bekommen. Das ist erst mal intuitiv Gerechtigkeit im Sinne von Gleichheit. Kennt man weitere Hintergründe, wird aber deutlich, dass es nicht so einfach ist: Ma hat die Pizza gebacken und möchte ein größeres Stück, da Ma eine größere Leistung erbracht hat. Mi hatte kein Mittagessen und deshalb den größten Hunger, also mehr Bedarf. Somit wird unser Gerechtigkeitsempfinden nicht nur von Gleichheit, sondern auch von Leistung und Bedarf beeinflusst.
4.2) Was ist Klimagerechtigkeit?
Der Klimawandel wird im Wesentlichen durch den Ausstoß von Treibhausgasen, wie CO2, Methan oder Stickoxide der Industrieländer verursacht. Unter den Folgen des Klimawandels leiden aber insbesondere die Menschen, die nicht in Industrieländern leben. Menschen in Afrika leiden unter zunehmender Dürre, Menschen im Inselstaat Tuvalu verlieren durch den Meeresspiegelanstieg gar ihre Heimat ganz. Das ist offensichtlich ungerecht. Eine mögliche Reaktion darauf wäre eine hohe CO2-Abgabe, die den Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind, die Anpassung an den Klimawandel finanziert.
Eine entsprechend hohe CO2-Abgabe löst aber auch in Ländern wie Deutschland eine Diskussion über Gerechtigkeit aus, denn Menschen mit viel Geld können es sich auch weiterhin leisten, einen SUV zu fahren und in einem großen Haus hohe Heizkosten zu bezahlen. Menschen mit wenig Geld würden durch höhere Preise stärker eingeschränkt, und das wäre auch nicht gerecht.
Das große Problem ist, dass die größten Verursacher und die Leidtragenden zu einem großen Teil räumlich und zeitlich getrennt sind. Zeitlich getrennt sind sie, weil die jüngeren und zukünftige Generationen stärker unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben werden als diejenigen, die heute die Treibhausgasemissionen verursachen. So muss also eine Lösung für globale und lokale Gerechtigkeit gefunden werden.
4.3) Brauchen wir einen Systemwechsel?
Wir laufen auf eine Klimakatastrophe zu und verbrauchen so viele Ressourcen, dass wir fast zwei Planeten Erde bräuchten (siehe https://germanwatch.org/de/overshoot). Es ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Doch in welchem Umfang und wie schnell Veränderungen erfolgen können und müssen, ist ein viel diskutiertes Thema. Unter Wirtschaftswissenschaftlern besteht soweit Einigkeit, dass man auch im Kapitalismus Güter, die der Allgemeinheit gehören, wie saubere Luft und Umweltressourcen, mit einem Preis belegen muss, um unerwünschte Effekte zu vermeiden. Auch muss das Verursacherprinzip gelten: Wer durch sein Handeln etwas zerstört, muss für die Folgen aufkommen. Im politischen Alltag in Parlamenten ist es aber schwer, entsprechende Regulierungen durchzusetzen, da Interessenvertretungen stark dagegen arbeiten. Es geht in der Regel um viel Geld und Einfluss.
Egal wie groß die Veränderungen sind, die wir einleiten müssen, wenn man will, dass sich etwas ändert, ist es besser zu sagen „mache mit“ als „fange an“. Üblicherweise beginnt eine kleine Gruppe und versucht, andere für ihre Idee zu begeistern. Zunächst wird man ignoriert, dann bekämpft, aber wenn sich genügend Menschen finden, die mitmachen, wird man am Ende erfolgreich sein. So gibt es von der Abschaffung der Sklaverei bis zum Frauenwahlrecht viele Beispiele in der Geschichte, bei denen Veränderungen, die von vielen Mächtigen für unmöglich gehalten wurden, heute in den meisten Teilen der Welt selbstverständlich sind. Es lohnt sich also, aktiv zu werden, und sich für das einzusetzen, was man wichtig findet.
Das Thema ist komplex, wenn Dich mehr darüber interessiert schau z.B. dieses Interview mit Maja Göpel: http://www.jungundnaiv-podcast.de/2019/06/420-maja-goepel-scientists-for-future-jung-naiv/
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