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Anders als bei Corona setzt Deutschland bei Klimaschutzmaßnahmen weiterhin auf Freiwilligkeit

Am 27. und 28. April fand der Petersberger Klimadialog statt und hinterließ mit dem Statement der Bundeskanzlerin Angela Merkel ein fast schon wohliges Gefühl. Nachdem wir lange nichts von ihr in Sachen Klimaschutz hörten, klang es so, als gebe es eine Einsicht darin, dass die Darlegungen der Klimawissenschaftler*innen gehört werden und es richtig ist, auf die Forderungen zu hören, die nicht zuletzt von „Fridays for Future“ gestellt werden.

Tatsächlich hatte sich die einstige „Klimakanzlerin“ in den letzten Monaten nicht dazu geäußert, dass Deutschland die gesteckten Reduktionsziele für 2020 nicht einzuhalten drohte. Jetzt aber gibt es Hoffnung darauf, dieses Ziel doch noch zu schaffen. Das Denk- und Politiklabor Agora Energiewende meldete Ende März:

„Nach unseren Abschätzungen werden in Deutschland unter anderem durch den warmen Winter und durch die Corana-Krise die Treibhausgasemissionen in 2020 im Vergleich zu 2019 um gut 50 Millionen Tonnen CO2 mindestens sinken. Je nach weiterem Verlauf der Corona-Krise kann der Rückgang auch bei bis zu 135 Millionen Tonnen CO2 liegen“

Patrick Graichen von Agora Energiewende via dw.com

In ihrer Rede beim Petersberger Dialog stellte die Kanzlerin heraus, dass die aktuell gesunkenen klimaschädichen Emissionen auf das Herunterfahren des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zurück zu führen sind und machte im Endeffekt sogar Hoffnung, indem sie den Vorschlag zur stärkeren Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf EU-Ebene von bisher geplant 2030 um 40% auf 50 – 55% begrüßte und vorher auch einschob:

„Wir bleiben aufgefordert, die nationalen Beiträge bis 2030 zu verbessern.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel, am 28.04.2020

Doch was heißt das für Corona-Deutschland konkret?

„Es wird eine schwierige Verteilungsdiskussion mit Blick auf unsere jeweiligen öffentlichen Haushalte geben, wenn wir uns die wirtschaftlichen Schäden, die die Coronavirus-Pandemie mit sich gebracht hat, anschauen. Umso wichtiger wird es sein, wenn wir Konjunkturprogramme auflegen, immer auch den Klimaschutz ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern dass wir in zukunftsfähige Technologien investieren – dass wir nicht nur national an uns denken, sondern dass wir auch unsere internationalen Verpflichtungen weiter stark nach vorne bringen, weil das essenziell dafür ist, dass es einen globalen Erfolg im Klimaschutz gibt.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel, am 28.04.2020

Eventuell sollen wir das jedoch als voreilige Entschuldigung verstehen, denn über diesen schönen Peterberger Vortrag hinaus findet man vor allem viele Zeugnisse davon, dass die Hilfsfonds gerade nicht an Bedingungen die Klimaziele zu erreichen geknüpft werden und in Wirtschaftsrunden eben nicht über Klimaschutz diskutiert wird.

Bereits am 20. April fragte Tilo Jung in der Bundespressekonferenz, ob die Hilfen, die aufgrund des Corona-Shutdowns an die Wirtschaft ausgeschüttet werden, an Bedingungen geknüpft werden. Konkret fragte er auch: „Wenn nein, warum nicht? Denn die Klimaziele, die Deutschland einhalten muss, gelten ja weiterhin.“ Der Sprecherin des BMWi war dazu nichts bekannt und Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte:

„Die Klimaziele sind gültig, unser Ehrgeiz sie zu erreichen ist gültig, unser Ehrgeiz das Klimschutzprogramm 2030, das wir aufgestellt haben, um die Klimaziele zu erreichen, auch umzusetzen, besteht weiter, das hat mit den Maßnahmen, die jetzt in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie ergriffen werden, nichts zu tun, bzw. es tut dem überhaupt keinen Abbruch.“

Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz am 20.04.2020

Nun können wir natürlich hoffen, dass die Bundesregierung innerhalb der Woche vom 20. zum 28. April weitergedacht hat, bzw. einfach näher an die Möglichkeiten heranrückte, die nun unmittelbar vor uns liegen. Gemeint sind die Milliarden aus dem Corona-Hilfspaket, die an Bedingungen zum Erreichen von Klimaschutzzielen geknüpft werden könnten. Faktisch passiert aber aktuell nichts oder nichts, was bekannt ist. Am sogenannten „Autogipfel“, der am 05. Mai 2020 stattfinden wird, wird die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wahrscheinlich nicht teilnehmen. Auch der Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lässt keinen Zweifel daran, dass die Klimaziele bei den Coronahilfen nicht mitgedacht werden.

„Angesichts der Klimaziele wollte ich von Wirtschaftsminister Altmaier wissen, ob sich die Förderung von schmutzigen Benzinern und Diesel damit praktisch ausschließt. Peters Antwort: Nein! #bpk

Tilo Jung auf Twitter am 29.04.2020

Trotz der sich gut anfühlenden Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden wir also immer noch keine Änderungen für einen besseren CO2-Reduktionspfad erleben. Sehr konkret hört man das auch in einem Interview, welches auf der Webseite der Bundesumweltminsteriums verlinkt ist. Eine Phoenix-Reporterin fragt: „Werden Wirtschaftshilfen an Auflagen, die klimafreundlicher sind, die nachhaltigeres Wirtschaften garantieren? Wird es solche Auflagen geben?“ und Svenja Schulze antwortet mit einer Anreihung vieler Allgemeinsätze über Klimaschutz, was nur die Schlussfolgerung übrig lässt, dass die Bundesregierung weiterhin auf Freiwilligkeit setzt.

Klimaschutz, Innovation, soziale Sicherheit, das ist der Kompass mit dem wir da jetzt agieren müssen und es ist vollkommen klar, die Klimaschutzziele gelten. Wir wollen Mitte des Jahrhunderts treibhausgasneutral sein, das heißt wir dürfen jetzt auch nur die Dinge machen, die uns auf den richtigen Weg dahin bringen und nicht in Technologien der Vergangenheit investieren. Das geht auch, man kann eine ganze Menge im Klimaschutz vorantreiben, was dann eben auch gut ist für die Wirtschaft, den Ausbau erneuerbarer Energien, die Mobilität, die sich verändern muss, wo wir neue Verkehrsangebote brauchen, wo wir andere Antriebe brauchen, andere Fahrzeuge, der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Da ist sehr sehr viel möglich. Im Grunde genommen kennen wir den Impfstoff beim Klimawandel, den kennen wir schon, der muss jetzt eben auch wirklich eingesetzt werden.

Svenja Schulze am 26.04.2020

Dass sowohl Svenja Schulze, als auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel die Aktionen und Forderungen von „Fridays for Future“ und anderen aus der Klimabewegung begrüßen, hat letztlich auch einen bitteren Nachgeschmack. Denn es ist natürlich die Politik in der Legislative und nicht zuletzt die Bundesregierung in der Umsetzung, die das konkrete Vorankommen im Klimaschutz bestimmen. Statt sich darauf zu konzentrieren, den gegebenen eigenen Handlungsrahmen zu nutzen, präsentieren sowohl Schulze einen Appell von 60 Unternehmen zu mehr Klimaschutz wie auch Merkel die Aktionen von „Fridays for Future“ wie einen Verdienst der Bundesregierung selbst.

Ich freue mich über den enormen Rückenwind auch aus der Wirtschaft für den #Klimaschutz. Denn für mich ist wichtig, dass die kommenden Konjunkturprogramme so gestaltet werden, dass sie Arbeitsplätze, Innovation und Klimaschutz zugleich voranbringen. #PCD11

Svenja Schulze am 27.04.2020 auf Twitter

Viel Freude also, wenn einzelne Unternehmen auf Freiwilligkeit setzen und die eigenen Möglichkeiten für mehr Klimaschutz nutzen. Bei Angela Merkel geht es sogar noch eine ganze Ebene weiter hoch. Auf dem Petersberger Klimadialog stellte die Vertreterin von Finnland die Frage: „Wie können wir den Impuls im Bereich Klimawandel in diesem Jahr aufrecht erhalten?“ Darauf antwortete die Bundeskanzlerin:

„Ich glaube, dass diese Konferenz ein guter Impuls ist, die Klimafrage aufrecht zu erhalten. Wenn ich sehe, wie „Fridays for Future“ seine Aktionen umgestellt hat, auf die Internetwelt und die digitale Welt verlegt hat und sich trotzdem bemerkbar macht mit diesem Thema, dann ist das doch auch eine Ermutigung. Was wir alle miteinander lernen können, ist das was immer wieder gesagt wurde »unite behind the science« das ist das, was wir jetzt brauchen, in der Bekämpfung der Corona-Pandemie, wenn wir auf die Entwicklung von Impfstoffen, auf die Aussagen der Virologen angewiesen sind. Genauso sollten wir das übernehmen, wenn wir uns dann weiter mit Klimaschutz befassen, denn das ist auch eine Herausforderung, die man nicht sofort sehen kann, die aber uns alle umgibt und auf die wir reagieren müssen – eine sehr langfristige, aber eine, die kurzfristiges Handeln erfordert.“

Angela Merkel am 28.04.2020 auf dem Petersberger Klimadialog

Als wäre eine Bundesregierung abhängig davon, dass Unternehmen einen Appell formulieren und die Zivilgesellschaft auf die Straße geht. Dabei zeigt doch gerade Corona, dass es in Krisenzeiten darauf ankommt, dass eine Regierung die gesetzlichen Möglichkeiten nutzt, Handlungsrahmen setzt und diesen auch exekutiv durchsetzt.

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